Vor einiger Zeit fand unser GründerMütter Retreat in einem Kloster mit einer bunten Agenda statt. Wir starteten mit einem „Lego Serious Play (LSP)“-Workshop in den Tag. Die Teilnehmerinnen waren begeistert. Gerne möchte ich dir diese Methode, sowie meine Vorgehensweise, meine Erfahrungen und Tipps rund um dieses relativ neue Thema weitergeben.
Mein erster Kontakt mit Lego Serious Play
Persönlich bin ich vor etwa 3 Jahren das erste Mal auf Lego Serious Play gestoßen. Wie es dazu kam, weiß ich nicht mehr genau. Wahrscheinlich war es im Rahmen meiner regelmäßigen Themen-Recherchen für ein GründerMütter Meetup. In Deutschland war dieses Thema zu diesem Zeitpunkt allerdings wenig vertreten und ich konnte auch niemanden finden, der uns GründerMüttern dieses Thema (auch in einem budgetfreundlichen Rahmen) näher bringen wollte. So machte ich mich spontan für das GründerMütter Retreat selber ans Werk und arbeitete mich ein, da mir diese Methode nicht aus dem Kopf ging.
Wie ist Lego Serious Play entstanden?
Kurz zum Ursprung von Lego Serious Play: Der Haupteigentümer von Lego, Kristiansen, war unzufrieden mit den konventionellen Strategieentwicklungsmethoden bei Lego und auf der Suche nach einem effektiven Prozess zur innovativen Strategieentwicklung. Er stieß auf die beiden Professoren Johan Roos und Bart Victor (damals beschäftigt am International Institute for Management Development, Lausanne), die ebenso nach Alternativen zur strategischen Planung forschten und suchten. Sie schloßen sich gemeinsam mit dem damaligen Leiter der Produktentwicklung für Lego Education Robert Rasmussen zusammen und entwickelten von 1996 bis 2001 den Lego Serious Play Prozess. 2002 wurde Lego Serious Play der Öffentlichkeit bekannt gegeben.
Was ist Lego Serious Play?
Sicherlich kennst du die klassischen Lego-Sets. Dieses sind z.B. Ritterburgen, Raumschiffe, Häuser, Hotels. Sie alle erschaffen ein Abbild der ÄUßEREN Welt. Teile eines klassischen Lego-Set sind häufig Bauanleitung und Lego-Steine. Die Bauanleitung gibt genau vor, wie die Steine zusammengesetzt werden müssen, um ein exakt abgebildets Ergebnis zu erhalten.
Die Möglichkeiten Lego-Steine miteinander zu kombinieren, sind aber viel vielfältiger. In dem Buch „PLAY“ von David Hillmer (das ich dir übrigens wärmstens empfehlen, wenn du dich intensiver mit dem Thema beschäftigen möchtest, kein Affiliate) wird die Frage aufgeworfen: Was glaubst du, wie viele Möglichkeiten es gibt, 6 gleichfarbige 2×4 Bricks zusammenzusetzen? Die Antwort ist, dass es fast 1 Mrd. unterschiedliche Wege gibt. In der Umsetzung bedeutet dies, dass wir 7 Tage die Woche, 8 Stunden am Tag in jeder Sekunde eine neue Variante bauen müssten, um nach 87 Jahre alle Varianten einmal gebaut zu haben. Dieses zeigt, wie enorm die Vielfalt und der Möglichkeitenspielraum ist.
Was ist Lego Serious Play nun konkret? Lego Serious Play zielt im Gegensatz zum „klassischen“ Lego darauf ab, ein Abbild der INNEREN Welt zu erschaffen. Es sollen Gedanken, Konzepte und Gefühle abgebildet werden. Alles Unsichtbare soll sichtbar werden. Kurzum: Komplexe Gedanke und Konstrukte sollen in simple Modelle überführt werden, z.B. zur Darstellung von (neuen) Prozesse, (neuen) Produkten, Visionen oder Strategien. Des Weiteren kann diese Methode auch als Werkzeug zur Kommunikation im Team oder einfach nach außen dienen.
Lego Serious Play basiert auf Funktionen wie Simplifizierung.
Folgende Funktionsweisen macht sich das Lego Serious Play Konzept zu nutze und setzt es im Prozess ein:
- Konstruktivismus: Alles was wir wissen und denken, ist subjektiv. Jede*r „konstruiert“ und gestaltet sich seine eigene Welt.
- Konstruktionismus: Aktives Handeln wie bauen, schreiben, „konstruieren“ unterstützt den Lernprozess und die Aufnahme sowie Verarbeitung von Informationen & Wissen und kommt bei Lego Serious Play zum Einsatz.
- Auch das Hand-Hirn-Prinzip oder auch Kopf-Herz-Hand-Prinzip (von Pestalozzi) wird in diesem Bezug häufig genannt. Diese beruhen darauf, dass die einzelnen Bereiche wie Hand und Hirn nicht isoliert oder losgelöst voneinander arbeiten, um Klarheit und Konzentration zu fördern. Lego Serious Play zielt darauf ab, ein bestehendes Bild der eigenen Gedanken (aus dem Kopf) für sich und andere zu visualisieren (mit den Händen).
- Zudem setzt Lego Serious Play auf radikale Simplifizierung. Die Simplifizierung unterstützt die Strukturierung, Priorisierung und Fokussierung auf das Wesentliche.
Wir müssen realisieren, dass wir uns auf nichts konzentrieren, wenn wir versuchen, uns auf alles konzentrieren.
Andy Grone, Mitgründer Intel
- Das Denken in Methapern tritt durch die farbigen Bausteine ein. Ein Baustein kann als Metapher unterschiedlich eingesetzt und interpretiert werden. Ein grüner Stein kann als Zeichen von „Nachhaltigkeit“ eines Produktes eingesetzt werden oder auch in einem abgebildeten Prozess als „weiter machen“, „grünes Licht bekommen“ interpretiert werden. Rot kann als Wut, Feuer oder Liebe stehen, usw.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Sprichwort
Der Prozess des Lego Serious Play
Zu Beginn des Arbeitens mit Lego Serious Plays ist es wichtig mit dem“Skill Building“ einzusteigen.
Dieses startet mit einem „Warm up“ (Phase 1) und die Teilnehmerinnen machen sich mit den Materialien vertraut.
In der nächsten Phase 2 wird den Teilnehmer*innen die Funktionsweise von Lego Serious Play wie „Methaphorisches Bauen und Simplifizierung“ näher gebracht. Die Phase 3 ist das „Storytelling„. Hier wird der Fokus durch eine Aufgabe auf das Teilen der Gedanken gelegt. Wichtig ist, dass es nicht darum geht eine Story zu erzählen, sondern die Beschreibung der Bedeutung der einzelnen Steine. Hier kann auch ein Stift unterstützen und verwendet werden, mittels dem auf die einzelnen Bausteine getippt und diese berührt werden, um die Steine zu erklären.
Nach dem Skill Building, geht es an die „eigentliche“ Aufgabenstellung im Rahmen der drei Baustufen.
In der ersten Baustufen baut jede*r sein eigenes Modell (Einzelmodell) als Antwort auf eine Aufgabe.
In der zweiten Baustufe werden alle Einzelmodelle zu einem Gruppenmodell zusammengefügt. Das Gruppenmodell ist somit ein gemeinsames Ergebnis und eventuell Kompromiss aller.
Die dritte Baustufe ist die Ergänzung und Hinzufügung von externen Einflussfaktoren zum Gruppenmodell aus Baustufe 2.
In JEDER Phase des Skill Buildings und der Baustufen durchlaufen die Teilnehmer*innen einen weiteren Unterprozess mit drei Schritten. Es wird eine Aufgabe gestellt. Daraufhin folgt:
- Bauen,
- Teilen des Gebauten,
- Reflektieren des Gebauten
D.h. sowohl in der Phase 1-Warm up als auch in der zweiten Baustufe durchlaufen die drei Schritte: Bauen (1), Teilen (2), Reflektieren (3). Deutlich wird dies auch in der Beschreibung unsere GründerMütter Lego Serious Play Workshops im nächsten Abschnitt.
Auf die einzelnen Baustufen nach dem Skill Building wird nicht weiter eingegangen, da dies aufgrund begrenzter Zeit und Zielsetzung in unserem GründerMütter Workshop nicht im Fokus stand.
Anzumerken ist noch, dass sich grundsätzlich bei der Anwendung und somit Aufgabenstellung von Lego Serious Play keine Ja/Nein – Fragen, sondern offene & komplexe Fragen eignen.
GründerMütter Lego Serious Play Workshop
Kommen wir jetzt zu der praktischen Umsetzung von Lego Serious Play im Rahmen unseres GründerMütter Workshops. Meine Aufgabe im GründerMütter Workshop war die Moderation oder kurz gesagt, die eines so genannten „Facilitators“. Wichtig ist hier noch einmal hervorzuheben, dass ich keine Ausbildung zum „Facilitator of LEGO SERIOUS PLAY METHOD“ habe. Eine solche Ausbildung bzw. Zertifizierung ist im Vorfeld bei der Ausübung von Serious Play Workshops sicher ratsam, aber nicht zwingend notwendig. All mein hier geteiltes Wissen haben ich mir angelesen und basieren auf meinen Erfahrungen aus dem GründerMütter Workshop.
(Anmerkung: Diese Ausbildung habe ich 12/2023 gemacht und darf mich nun Zertifizierter Facilitator der LEGO® SERIOUS PLAY® Methode nennen.)
I. Verteilung der Materialien:
Zu Beginn hat jede Teilnehmerin das Lego Serious Play Set von mir erhalten. Die Freude war groß.
Nachdem die Pakete geöffnet wurden und auch die Bausteine ausgepackt vor ihnen lagen (Hier sah man direkt einen Unterschied. Einige sortieren die Bausteine direkt nach Farbe, andere nach Größe und nochmal andere kippten alles auf einen Berg), ging es auch schon los.
II. Skill Building:
Wir starteten mit dem Skill Building.
1. Aufgabe – Warm Up
1.1 Schritt Bauen: Die Teilnehmerinnen bauten innerhalb 2 Minuten einen Turm. Die maximal zur Verfügung stehende Bauzeit wurde an die Leinwand produziert und herunter gezählt.
1.2 Schritt Teilen: Da wir eine große Gruppe mit 23 Teilnehmerinnen waren, haben in dem zweiten Schritt „Teilen“ der drei wiederkehrenden Schritte nicht alle ihre Ergebnisse mit allen geteilt. Vielmehr haben die Sitznachbarn ihre Ergebnisse miteinander ausgetauscht. Dieses hat auch vollkommen ausgereicht.
1.3 Schritt Reflektieren:
Reflektionsfrage: Worauf hast du besonders wert gelegt? Dieses wurde von jeder Teilnehmerin notiert.
Unsere Erfahrung: Jeder Turm sah anders aus. Jede hat sich auf unterschiedliche Schwerpunkte gelegt. Einige Türme waren besonders groß, andere hingegen besonders schön.
Im nächsten Schritt ging es an die Verdeutlichung der Radikalen Simplifizierung.
Hier habe ich den Teilnehmerinnen die Aufgabe gestellt:
Aufgabe 2 – Simplifizierung & Methapern
2.1 Schritt Bauen: Die Teilnehmerinnen bauten innerhalb von 5 Minuten (max. verfügbare Bauzeit) ein Modell des von mir vorgegebenen Begriffs.
Da wir ein Netzwerk von selbstständigen Frauen sind habe ich mir Begriffe aus diesem Kontext überlegt, z.B. Female Empowerment, Netzwerken, selbstständig, Austausch, Erfolg, Inspiration. Einen kleinen Ausschnitt von den Ergebnissen siehst du hier:
2.2 Schritt Teilen: Hier wurden die Ergebnisse geteilt, in dem wir – wie in einem Museum – alle Arbeitsplätze besuchten und die Bauten besichtigten.
2.3 Schritt Reflektion:
Reflektionsfrage: Fasse deine Aussage für dich in ein paar Sätzen zusammen. Welche Erkenntnisse hast du gerade gewonnen? Was hat dich gerade am meisten erstaunt?
Erfahrung: Einige Teilnehmerinnen waren überrascht welche Vorgehensweise von anderen Teilnehmerinnen gewählt wurde, z.B. Steine auch hochkant neben einander zu legen und nicht aufeinander zu stecken. Zudem waren die Modelle alle sehr verschieden (wie auch im Foto oben ersichtlich). Zwei Modelle ähnelten sich jedoch stark, obwohl die Teilnehmerinnen weit voneinander entfernt saßen. Ihre Bauten ähnelten sich sowohl von den Farben als auch von der Form. Der Hintergrund der beiden Frauen ist, dass sie gemeinsam ein Unternehmen gegründet haben und Partnerinnen sind. Auch dieses war eine wertvolle sowie spannende Erkenntnis für alle.
Abschließend gingen wir zu dem letzten Abschnitte Storytelling über. Hier stellte ich die Aufgabe 3.
Aufgabe 3 – Storytelling
3.1 Schritt Bauen: Die Teilnehmerinnen bauten in 7 Minuten (Bauzeit) ein Modell ihrer Vision.
Alternativ hatte ich mir folgende Aufgaben überlegt:
- Baue ein Modell von deinen größten beruflichen Zielen.
- Baue ein Modell von deinem Business.
- Baue ein Modell davon, was dich im Leben motiviert.
- Baue ein Modell von deiner größten Stärke im persönlichen Kontext / im Arbeitskontext.
3.2 Schritt Teilen: Nach der Bauphase haben die Teilnehmerinnen sich wieder mit ihrer Nachbarin ausgetauscht und ihr Visions-Modell erläutert.
Wenn Sie es nicht einfach erklären können, verstehen Sie es nicht gut genug.
Albert Einstein
3.3 Schritt Reflektieren:
Reflektionsfrage: Welchen größten Schwerpunkt kannst du daraus ableiten? Und was möchtest du aktiv bis Ende des Jahres angehen? Schreibe deine nächsten Schritte auf.
Die Antworten haben wir auf Karten geschrieben und auf einem Flip Chart gesammelt (siehe Foto).
Abschließend haben wir noch die Frage diskutiert, inwiefern Lego Serious Play in unserem Umfeld, Business eingesetzt werden kann und beim Lösen komplexer Herausforderungen helfen kann?
Die Antworten waren:
- Komplexe Sachverhalte dem Kunden erklären
- Teambuilding
- Problemlösungen
- Prozesse abbilden
- Zur Fokussierung
- In der Familie
- Vision vor Augen führen
Dieses beschriebene Vorgehen im GründerMütter Workshop stellt natürlich nur dar, wie wir Lego Serious Play umgesetzt und gelebt haben. Es gibt vielfältige Umsetzungs- und Anwendungsmöglichkeiten. Bei uns war folgender Rahmen gegeben:
Wir hatten eine begrenzte Zeit von 2 Stunden. Lego Serious Play Workshops können über Tage gehen, um etwas auszuarbeiten. Die Teilnehmerinnen waren alle überwiegend Einzelunternehmerinnen. Gerade für Teams in Unternehmen eignet sich die Methode wunderbar, da sie insbesondere durch die drei Baustufen sehr viel mehr kann.
Die Zielsetzung unsere GründerMütter Workshops war, den Teilnehmerinnen einen guten ersten Einblick in die Methode zu vermitteln und neugierig für den Prozess zu machen. Dieses wurde erreicht. Die Resonanz war sehr gut und die Teilnehmerinnen inspiriert.
Fazit: Probiert diese Methode aus!
Hast du schon mit Lego Serious Play gearbeitet? Lass mir gerne in den Kommentaren deine Erfahrungen dar. Ich freue mich darüber.
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